Rennstrecke

Der Schottenring-Historic-Grand-Prix und das Rollout der CB72

Solch ein Rollout dürfte es nicht oft geben: Sehr wahrscheinlich lief der Motor der CB72 1981 in Giebelstadt letztmalig auf einer Rennstrecke. Jedenfalls lässt ein entsprechender Aufkleber der Technischen Abnahme diese Vermutung zu.

Armin

Eigentlich zerlege ich Fahrzeuge nach so langer Standzeit und baue sie sorgfältig wieder auf. Da ich aber wusste, dass die CB72 vor etwa 4 Jahren letztmals kurz lief, und das gut, und da ich nirgendwo nennenswerte Undichtigkeiten finden konnte, und Ersatzteile kaum zu bekommen sind, sagte ich mir: Never change a running system. Ich hatte sie sorgfältig startklar gemacht, und eine kurze Probefahrt durch’s Dorf am Vorabend meiner Abreise nach Schotten verlief durchaus erfreulich.

Noch bevor ich am Freitag zur Technischen Abnahme gehe, fällt mir dann ein, was ich vergessen hab: Die Finne an der Schwinge, die Streckenposten ggf. vor Verletzungen am Kettenrad schützen soll, falls sie das Fahrzeug bergen müssen. Ago hatte sich als ‚technischer Dienst‘ angeboten, und jetzt war es von Vorteil, dass er nur 20 km entfernt wohnt. Nach einem kurzen Telefonat packt er ein Stück Alu, eine Flex, ein paar Bohrer und eine Stichsäge in den Tankrucksack seiner Trident, und macht sich auf den Weg. Auch ein Ladegerät für den LI-Akku, das ich vergessen habe, bringt er mit.

Der technische Dienst bei der Arbeit.

Die Finne ist schnell gebaut, und bei der Technischen Abnahme wird der bemerkenswerte originale Erhaltungszustand erfreut zur Kenntnis genommen. Auch von anderen Teilnehmern und Besuchern kommen immer wieder diesbezügliche Kommentare.

Der Aufkleber zeigt, dass die Technische Abnahme positiv gelaufen ist.
Ein Fahrerlager auf der grünen Wiese, wie früher, nur regnen darf es nicht…

Vor der Fahrerbesprechung am Freitagabend gibt es immer noch eine kleine Fahrer- und Maschinen-Vorstellung am Clubheim. Es macht Spaß mit vielen anderen Fahrern einmal um den Kurs zu fahren und dann dort in der Abendsonne in entspannter Runde bekannte Gesichter wieder zu sehen.

Der Pulk auf dem Weg zur abendlichen Vorstellung am Clubheim. (Foto: Paul Rübsamen)

Nach der Fahrerbesprechung gehen Ago und ich noch gut essen. Gemütlich lassen wir den lauen Sommerabend ausklingen.

Ortskundige kennen meistens die guten Lokale.

Am Samstag starte ich gleich in der zweiten Gruppe, also recht früh. Die CB72 zickt nicht, springt gut an, und ab geht’s zum Vorstart. Während der Wartezeit dort wird sie schon recht heiß, bei nur 1,5 Litern Öl geht das schnell. Ich bin froh als wir endlich auf die Strecke kommen. Aber auch da benimmt sie sich, nimmt gut Gas an und läuft schön. Es ist wirklich toll, mit Norton Manx, BSA Goldstar, Aermacchi, mehreren CB72 und CB77 und anderen feinen Rennern aus dieser Bauzeit auf die Piste zu gehen. Als Zuschauer fand ich diese Gruppe immer eine der Interessantesten.

Gleich mehrere der seltenen CB72 und CB77 sind mit am Start.

Ich lass es ganz bewusst langsam angehen, da ich erst sicher sein will, dass der Motor die mehr als 40 Jahre Standzeit gut überstanden hat. Außerdem fährt sie sich völlig anders als all meine anderen Motorräder. Das Gewicht von etwa 125 kg macht sie unglaublich handlich und wendig, sie fährt sich wie ein Mopped. Dafür sind die Konis aus ganz früher Produktion bretthart und die Gabel hat nur extrem kurze Federwege, was ein scharfes Anbremsen vor der Kurve nicht einfach machen dürfte. Und auch die Heidenau-Rennreifen und ihr Verhalten kenne ich noch nicht.

Man sieht es deutlich: Eigentlich bin ich zu groß für die CB72. (Foto: Paul Rübsamen)

Aber das Motorrad fährt sich leicht und spielerisch, das gute Fahrwerk überrascht mich, ich hatte nicht erwartet, dass eine Konstruktion aus den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts so gut ist. Der Motor hängt gut am Gas, klingt gut, dreht frei hoch. Mit jeder Runde steigt der Spaßfaktor. Und mit jeder Runde nimmt die Bremswirkung der vorderen Trommel dramatisch ab. Das hatte ich angesichts der neuen Bremsbeläge zunächst erwartet, aber nicht in diesem Ausmaß. Aber da die Honda beim Anbremsen vorne kaum eintaucht, wird das Hinterrad nicht so leicht und behält guten Bodenkontakt, so dass ich die hintere Duplex-Trommelbremse gut einsetzen kann.

In Schotten findet sich immer feines Material der alten Klassen mit wenig Hubraum.

In der fünften Runde stürzt unmittelbar vor mir ein Norton-Fahrer. Keine Chance mit der Bremse noch entscheidend zu verzögern, also schnell das Motorrad in die Linkskurve geworfen und mit Gas zwischen Strohballen und dem Sturz-Kandidaten durch. Der kleine Renner läuft so gut, dass ich ihm in jedem Fall 35 PS wenn nicht mehr zugestehe. Und natürlich kommt das vergleichsweise geringe Gewicht zum Tragen. Auf der Start-Ziel-Geraden fällt plötzlich ein Zylinder aus. Der Blick nach unten fällt auf einen Kerzenstecker, der am Zündkabel baumelt. Daran, dass die heftigen Vibrationen dies und das einfach ab vibrieren, muss ich mich noch gewöhnen. Schnell im vollen Lauf den Stecker wieder drauf, und weiter geht’s mit Vollgas. That’s Racing. Und mancher Zuschauer wird geschmunzelt haben. In der Auslaufrunde säumen zahllose Zuschauer in Schotten den Streckenrand und klatschen Beifall, so gibt’s das an keiner anderen Rennstrecke, das ist Teil der besonderen Atmosphäre.

Die Auslaufrunde. Man verständigt sich auch ohne Blinker… (Foto: Paul Rübsamen)

Rita und Alois schauen vorbei, und Alois entdeckt, dass der Splint an der hinteren, bereits gelösten Achsmutter fehlt. Danke dafür! Solch einen Splint habe ich noch nie verloren und kann mir das zunächst nicht erklären. Später stelle ich fest, dass er nicht waagerecht stehen darf, weil man ihn dann leicht mit dem Ständer beim Aufbocken halb heraus drückt. Und auch Jörg besucht mich im Fahrerlager. Leider kann er wegen eines Arbeitsunfalls z. Zt. nicht starten.

Auch der zweite Trainingslauf verläuft zu meiner vollen Zufriedenheit. Die etwas nachgestellte Bremse lässt diesmal auch nicht ganz so schnell nach. Aber trotzdem besteht hier definitiv Verbesserungsbedarf.

Das Duo auf dieser NSU von 1931…
…hat eine grandiose Show abgeliefert! Hut ab!

Allerdings setzt am Abend Regen ein. Und da der Wetterbericht sich plötzlich verschlechtert und für die ganze Nacht Regen meldet, packe ich kurz nach der Dämmerung kurzentschlossen alles ein. Die Fahrerlagerwiese in Hanglage verwandelt sich unter solchen Bedingungen nämlich schnell in ein Matschloch, das man nur noch mit Hilfe großer Traktoren verlassen kann. Das will ich mir sparen, aber die Steigung zu der nächstgelegenen Ausfahrt gleich hinter mir schaffe ich schon nicht mehr, die Reifen finden keinen Grip. Also fahre ich kurzentschlossen quer durch’s gesamte Fahrerlager und nehme die hintere, weniger steile Ausfahrt. Es geht alles gut und ich erreiche den asphaltierten Weg. 30 Minuten später sitze ich mit Ago bei einem kühlen Bier trocken im Hof.

Noch so ein Schätzchen, ein schöner Horex-Renner.

Es war ein schönes Wochenende, auch wenn ich vorzeitig abgebrochen hab. Innerlich war ich auf einen Ausfall eingestellt, aber die Honda hat prima gehalten. Klar, nicht ganz ohne ihre Besonderheiten, die größtenteils den starken Vibrationen zuzuschreiben sind. Hier die kleine Mängelliste:

  • Eine Schraube am Schutzblech ab vibriert
  • Den Kerzenstecker von der Kerze vibriert
  • Kerzenbild links etwas dunkler als rechts
  • Akku schnell relativ leer (vermutlich durch den Drehzahlmesser)
  • Kontermutter am Schaltgestänge losvibriert
  • Vordere Bremse muss nachgearbeitet werden
  • Die eingeschweißten Dämpfer in den Megafonen machen zu sehr zu
  • Drehzahlmessernadel wirkt mehr wie ein Scheibenwischer, keine ablesbare Anzeige

Das ist recht überschaubar, wobei besonders erfreulich ist, dass keine nennenswerten Ölundichtigkeiten aufgetreten sind und auch kein nennenswerter Ölverbrauch. Insgesamt bin ich recht glücklich mit diesem Wochenend-Ergebnis. Der Winter bringt die Zeit, die Liste abzuarbeiten.

Die CB72 hat nicht enttäuscht. Sie ist mit den neuen Erfahrungen, die sie mit sich bringt, eine echte Bereicherung.

Der MSC Schotten feiert nächstes Jahr seinen hundertsten Geburtstag und am 16.-17-August 2025 den 35. Schottenring-Historic-Grand-Prix. Diesen Termin sollte man sich frei halten.