Motorrad

Im Westerwaldmuseum

Die Morgensonne scheint durch’s Fenster meines Arbeitszimmers und blendet mich. Aber der Schein trügt, draußen ist es ziemlich frisch, gerade mal acht Grad zeigt das Außenthermometer. Eigentlich war für gestern auch teilweise Sonne angesagt, viel von ihr gesehen haben wir aber auf unserer Westerwaldtour nicht. Dafür war’s dank der Wolken nicht ganz so kalt.

Armin

Eigentlich sollte dies wieder ein Frühstück unserer Alteisen-Senioren-Runde mit anschließender Ausfahrt werden. Aber erst hatte Gerd abgesagt, dann Peter. Alois und ich haben kurzerhand beschlossen, trotzdem nach einem guten Frühstück zu fahren. Als wir dann starteten, war es nicht mehr ganz so kalt, wie auf meinem Weg zum Bäcker.

Auf dem Weg zum Bäcker war ich noch schnell tanken. Im Museum werden auch alte Zapfsäulen ausgestellt. Die drei links erinnern mich an meine Kreidler-Zeiten: Mischungsverhältnis einstellen, dann mit dem Handhebel die gewünschte Menge hochpumpen, dann den Tank befüllen.
Motorrad-Fahrer von heute wären irritiert: Kein Super, Superplus und E10. Stattdessen (Normal-) Benzin…
…und Super.

Diesmal machte Alois den Scout und nahm die altbekannte schöne Strecke rüber ins Siegtal und dann flussaufwärts bis nach Wissen. Irgendwann bog er unterwegs ab, dann noch mehrmals und schon bald konnte ich mir diese nette kleine Seitenstrecke wegen der vielen Abzweigungen nicht mehr merken. Kurz hinter Wissen liegt in Steineberg das Westerwaldmuseum. Es handelt sich dabei um eine private Sammlung. Die Das Betreiberehepaar ist schon in höherem Alter, aber immer noch mit Herzblut dabei. Seit Jahren haben sie auch stets einen Stand auf der Veterama.

Eine Fliege auf dem Tank. Besser als drin…
Die Parkuhren stehen zum Glück in der Ausstellung und parken kostet nichts. Außerdem: Hier kann man mit der Handy-App nicht bezahlen, und wer hat schon noch ‚Groschen‘ in der Tasche?

Alois weiß, dass ich kein besonderer BMW-Fan bin und hatte mich gewarnt, denn der Schwerpunkt der Sammlung sind alte BMW’s. Was soll‘s, ich finde gerade die Vielfalt im Thema Motorrad ist das Salz in der Suppe. Außerdem bietet die Sammlung mehr, es sind durchaus auch andere Marken vertreten, und eigentlich ist die Ausstellung eher ein wildes Sammelsurium. So findet sich auch ein Regal mit Kaffeekannen, mit Schreibmaschinen und sogar mit alten Staubsaugern und weiteren alten Kuriositäten.

Auf zwei Etagen stehen die Exponate dicht an dicht. Und weil es eben nicht nur Motorräder sind, fühlt man sich durch die vielen anderen alten Kleinigkeiten in eine andere Zeit zurück versetzt.
Immer wieder faszinierend finde ich Vorkriegstechnik.
Wo heute ein digital gesteuertes Display im Kunststoffgehäuse für den Hersteller kostengünstig arbeitet, wurde in den dreißiger Jahren noch mit einigem handwerklichen Aufwand ein analog arbeitendes Instrument in den Tank gesetzt.
Bald sind das Hundertjährige.
Und für mich vermittelt keine noch so modern gestaltete LED-Rückleuchte trotz ihrer unbestritten erheblich höheren Funktionalität eine so hohe Wertigkeit wie solch ein Rücklicht. Ich weiß, ich bin ein Dinosaurier…

Die Betreiberin empfängt und ausgesprochen freundlich, und der Eintrittspreis ist eher symbolisch. In der kleinen Halle stehen die Exponate auf zwei Etagen dicht an dicht. Immer wieder entdeckt man interessante Dinge, wenn man sich die nötige Zeit nimmt.

Dies ist kein professionell geführtes Museum, vielmehr geht der besondere Charme von der wahrscheinlich lebenslangen Leidenschaft des Sammelns der beiden Betreiber aus. Auch Rollerfans kommen auf ihre Kosten…
…wie auch Fans der Lieblingsmarke meines Nachbarn.
Horex baute einst sehr schöne Motorräder mit hochwertiger Technik…
....verlor aber wie viele Marken in den 60er und 70ger Jahren den Anschluss.
Auch Kreidler ist untergegangen. Auf dem hinten stehenden Modell habe ich meine Zweiradkarriere gestartet, allerdings noch mit Handschaltung.
Die einzige Honda in der Sammlung, ein früher 90-cccm-Einzylinder dessen Motor eng verwandt mit dem der Dax ist, weckt selbst das Interesse des eingeschworenen Norton-Fahrers, der darüber nachdenkt, eine z. Zt. angebotene Honda zu kaufen.
Ein solches Regal könnte ich mir durchaus als Wohnzimmer-Deko vorstellen.

Der Herr des Hauses lässt uns noch einen Blick in seine Werkstatt werfen, wo er trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch alte Schätze wiederbelebt. Aber er klagt wie viele in der Szene über eine Entwicklung, die zunehmend Probleme bereitet. Immer mehr der Fachleute für alte Techniken gehen in den Ruhestand. Teileherstellung, Beschaffung und Instandsetzung werden zunehmend schwierig. Wertvolles Wissen um Handwerkskunst und Technik geht verloren. Wird es im digitalen Zeitalter gelingen nicht nur die Asche zu bewahren, sondern die Glut an die junge Generation weiterzugeben?

Die Restaurierung dieses Oldtimers scheint schon recht fortgeschritten.

Die Fahrt und das Stöbern haben hungrig gemacht. Alois kennt einen guten Italiener im nahegelegenen Gebhardshain. Nach einem sehr guten Mittagsessen machen wir uns auf kleinen Nebenstraße mit vielen Kurven auf eine entspannte Rückfahrt. Ohne jede Hektik bollert Alois mit der inzwischen eingefahrenen Norton vor mir her. Die Honda läuft so ruhig und leise, dass ich sie gegen den Sound aus den Norton-Roadster-Tüten gar nicht mehr höre. Ich genieße die schöne Strecke heimwärts. Wie so oft machen wir auf eine Tasse Cappuccino noch eine kleine Pause an der alten Schule. Die schon im Sommer hier gesichtete Norton Fastback taucht auch auf, und natürlich kennen Alois und ihr Besitzer sich.

Zwei Nortons in freier Wildbahn an einem normalen Wochentag sieht man auch nicht mehr oft.

Auch eine Fastback die etwas Zuwendung braucht, wird derzeit angeboten. Alois hat noch kein Winter-Projekt. Ich bin mal gespannt, ob es die Fastback, die Honda oder etwas ganz anderes wird. Nächstes Wochenende ist Veterama…