Motorrad

Mobilität - Die Anfänge

Das erste Verkehrsmittel, das breiteren Bevölkerungsgruppen problemlose Mobilität über größere Entfernungen ermöglichte, dürfte die Eisenbahn gewesen sein. Denn wer konnte sich schon ein Pferd oder eine Postkutschenreise leisten? Und auch von der Entwicklung des Automobils hatten zunächst nur ausgesprochen wohlhabende Menschen einen Nutzen. Anders war das mit Motorrädern…

Armin

Seit ich nach und nach das Foto- und Filmmaterial der Familie sichte und digitalisiere, tauchen immer wieder sehr interessante und spannende Zeitzeugnisse auf, die dann beim gemeinsamen Betrachten und im Gespräch mit meinen 90-jährigen Eltern Erinnerungen und Geschichten wachrufen, von denen ich so manche zum ersten Mal höre. Für das Thema dieser Website sind natürliche jene interessant, die sich um das Thema Motorrad und andere Fahrzeuge drehen.

So meinte meine Mutter kürzlich, dass ihr Vater begeistert und glücklich wäre, wenn er mich mit meiner Motorrad-Vernarrtheit erleben könnte. Die Nachbarn hätten sich – noch vor dem zweiten Weltkrieg – „das Maul über ihn verrissen“, weil er sich, obwohl die Mäuler von vier hungrigen Kindern zu stopfen waren, eine BMW kaufte. Mir hatte er mal in den 70ern von einem Motorrad mit 500 ccm berichtet, das, soweit ich mich erinnere von einem englischen Hersteller kam, und das einen Rahmenbruch hatte. Den hatte der Verkäufer allerdings verschwiegen, und weigerte sich auch, das Geschäft rückgängig zu machen. Mein Opa, damals aktiver Boxer, meinte schmunzelnd, dass er die Angelegenheit abends in einer dunklen Gasse dann geregelt hätte. Vermutlich nichts Besonderes zu jener Zeit. Aber: Ein Moped oder Motorrad war damals zwar nicht billig, aber doch für manchen finanzierbar.

Leider sind keinerlei Fotos aus jener Zeit erhalten, da am 4. Dezember 1944 bei dem verheerenden Bombardement von Heilbronn mit zahlreichen Familienmitgliedern auch alle Erinnerungsstücke ausgelöscht wurden.

Und auch bei meinem anderen Großvater spielte in jener Zeit ein Motorrad eine wesentliche Rolle. Er wurde wenige Tage nach dem Reichstagsbrand im Seitenwagen eines Motorrads sitzend am 11.03.1933 an einer Straßensperre, wie viele andere Oppositionelle in diesen Wochen, verhaftet. Zwar gibt es viele Familien-Fotos aus jener Zeit, aber keines mit Motorrädern.

Das älteste Foto zum Thema Motorrad im Familienfundus zeigt einen Jugendfreund meines Vaters in den ersten Nachkriegstagen (siehe oben). Leider konnte ich weder ein genaues Datum noch den Fahrzeugtyp herausfinden, aber ich erinnere mich gut, dass man in dieser Familie schon bald Porsche fuhr. Schon wenige Jahre später spielten kostengünstige Zweiräder aller Art eine wesentliche Rolle beim wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes, und auch der Rennsport war schon früh wieder ein Thema. Empfohlen sei an dieser Stelle das Buch „Der Weg zur Motorrad-Weltmeisterschaft“ von Jürgen Nöll und Wolfgang Schneider, reich bebildert und spannend zu lesen.

Der Lambretta-Club Backnang bei einer Ausfahrt.

Auch meine Eltern wollten mobil sein, und so kam bald eine Lambretta ins Haus. Mit dem in Lizenz gefertigten Roller waren dann auch erste Urlaubsfahrten an den Bodensee, ins Elsass, in die Alpen und bis an den Gardasee möglich.

Besitzerstolz in den frühen Fünfzigern.
Camping im Elsass.

Auch ich machte dann die ersten motorisierten Zweiraderfahrungen mit der Lambretta: Auf dem Fahrrad-Kindersitz, den mein Vater an das Beinschild montiert hatte. So ging es dann zu dritt öfter mal zu den 60 km entfernt wohnenden Freunden auf die Schwäbische Alb. Und weil mich Pimpf der chromglänzende Spiegel faszinierte, landete die ganze Familie dank eines schnellen Griffs meinerseits dann mal im Straßengraben…

Wie sich die Bilder doch gleichen…
…obwohl etwa 60 Jahre dazwischen liegen.

Natürlich wurde die Lambretta bald vom Auto abgelöst, es kamen die Isetta von BMW, das Goggo Coupé von Glas, der Rekord 1700 von Opel, keiner wollte mehr nass und schmutzig werden. Aber: Totgesagte leben länger. Nachdem fast die gesamte deutsche Motorrad-Industrie verschwunden war, entdeckten die Amerikaner, insbesondere durch den findigen Soichira Honda und seine innovative Firmenpolitik, in den sechziger und siebziger Jahren das Zweirad als Spaßmobil. Und wie immer schwappte diese Modeerscheinung über den großen Teich. Dazu kam in meiner Jugend eine Generation, die mobil sein wollte. So fuhr ich eines Abends das erste motorisierte Zweirad mit 15 dann nach dem wöchentlichen Vereins-Sport auf dem Schulhof vor der Sporthalle. Was kein Problem war, denn es war ab 15 Jahren führerscheinfrei. Das Kreidler MF2 mit seiner Zweigang-Automatik erschien mir damals ziemlich schnell. Und weil bald fast alle Freunde motorisiert waren, machte auch ich den Führerschein Klasse vier. Eine leichte Übung, es gab nur eine kurze Theorie-Prüfung. Und dann kam das Kreidler Mokick, gebaut in Stuttgart-Zuffenhausen. (Hier einen Link auf den Bodensee-Beitrag). Zwar hätte ich gerne eine Honda Dax gehabt, aber Kreidler war definitiv eine der angesagtesten Marken.

Kreidler-Mofa MF2...
in den Siebzigern vorherrschend im Raum Stuttgart.
Da war das Malagutti-Cross-Mokick von Sybille schon exotischer...
...und der Umstieg auf’s Motorrad naheliegend.
Mit so einerHonda CB 200 disc wie Karin sie fuhr, hätte ich auch gerne angefangen, aber da ich inzwischendie 400 FOUR fuhr, konnte ich’s verschmerzen.

Aber schon bald wuchs der Wunsch nach mehr Leistung, und was heute normal ist, war in den Siebzigern noch eine kleine Revolution: Auch die jungen Frauen in unserer Clique stiegen auf’s Motorrad. Nur das Schrauben überließen sie in der Regel den Jungs. Die konnten meist nicht genug Leistung bekommen, und manche übertrieben es maßlos.

Die stadtbekannte Kawasaki 500 Mach 3 eines Schulfreundes. Die Kawasaki hatte damals den Spitznamen „Witwenmacher“.
Selbst eine Honda CB 750 FOUR konnte das Vorderrad heben.

Zu dieser Zeit kam dann auch als Folge der drastisch gestiegenen tödlichen Unfälle endlich die Helmpflicht. Zu viele überlebten ihren Übermut nicht, manche hatten auch Glück, beides gab es auch in meinem Freundeskreis.

Das Stau-Ende taugt nie als Bremse…
…aber die Suzuki GT 185 kam wieder auf die Straße. Und der Unfall beeinflusste die Berufswahl.

Bei der Vorgeschichte eigentlich kein Wunder, dass da inzwischen auch die vierte Generation mit dem motorisierten Zweirad unterwegs ist. Wir werden sehen, wie das bei den vielen Fragezeichen um die Zukunft unserer Mobilität weiter geht.

Nun schon die vierte Generation auf dem Zweirad.