Motorrad

Reisen auf zwei Rädern: Schottland

Nach der unvergesslichen Schottland-Reise 1990 ließ mich das Fernweh Richtung Nordwesten nicht mehr los. Ich wollte unbedingt nochmal in den Norden der Insel fahren, diesmal aber noch weiter die Westküste hinauf. Die Honda war inzwischen ein altes Gebrauchtmotorrad mit über 100 000 Kilometern auf der Uhr, lief aber immer noch zuverlässig. Diesmal sollte mich mein ehemaliger Kommilitone und Mitbewohner Burkhard mit seiner 450er Kawasaki begleiten.

Armin

Da ich inzwischen berufstätig war, war die Zeit begrenzt, und wir müssen auf zügiges Vorankommen achten, wenn wir es wirklich weiter in den Norden schaffen wollen. Schon auf der belgischen Autobahn werden wir aber ausgebremst. So ein Chopper-Tank hat wenig Fassungsvermögen und wenn man dann nach dem Tanken noch vergisst, den Reservehahn wieder zu schließen…

Zum Glück findet sich im Straßengraben eine leere Plastikflasche, so dass die 400er Honda zu einer ‚Blutspende‘ herangezogen werden kann, ohne dafür den Tank demontieren zu müssen.

Calais als erstes Etappen-Ziel ist erreicht.

Am zweiten Tag umfahren wir den Süden Londons, und der starke Wind aus Westen nimmt kontinuierlich zu. Je näher Wales kommen, umso mehr bremst uns der heftige Gegenwind aus. Das Fahren wird doch ziemlich anstrengend, insbesondere für Burkhard, der durch die aufrechte Chopper-Sitzposition und den hohen Lenker dem Wind doch sehr ausgesetzt ist. Ich kann mich auf der Honda dank des recht flachen Lenkers hinter dem Tankrucksack klein machen. Beim Tankstopp an der Severn-Bridge, dem Tor zu Wales, denkt Burkhard ziemlich erschöpft über Umkehr nach. Es ist seine erste echte Motorradtour, und er ist diese Anforderungen nicht gewohnt. Aber eine Pause bei einer heißen Tasse Kaffee läßt dann doch wieder die erforderliche Entspannung und die Lust zur Weiterfahrt die Oberhand gewinnen.

Nach langer Fahrt im Wind ist man ausgekühlt, da sind heiße Getränke vor’m Zelt sehr willkommen.

Nachdem wir Wales erreicht haben, lassen wir es etwas langsamer angehen, ich passe mein Tempo mehr dem Reisenovizen an. Vorteilhaft ist, dass wir dieselbe Route gen Norden nehmen wollen, wie zwei Jahre zuvor, und ich mich größtenteils noch daran erinnere.

Hay-on-Wye, ein faszinierendes Bücherdorf, das einen Zwischenstopp lohnt.

Entlang der Westküste arbeiten wir uns wieder im Zickzack über kleine Landstraßen Richtung Norden voran. Auch diesmal genieße ich dieses traumhafte Motorradrevier, auch wenn das Wetter uns anders als zwei Jahre zuvor immer wieder mal einen Regenschauer bringt.

Angesichts der netten Orte und der schönen Landschaft kehrt das alte Lächeln bald zurück.

Wir erreichen den Lake-District der mit seinen kleinen Passstraßen und den Routen entlang der Seen wirklich ein echtes Highlight ist.

Passstraße in Cumbria.
So fühlt sich Urlaub an.
Kleine Landstraßen durch traumhafte Täler. Ich muss an ‚Hobbingen‘ denken…
Die Briten lieben und hegen und pflegen alles was dampfbetrieben ist.

Wir passieren Carlisle und arbeiten uns die Straße die Hügel hinauf nach Northumberland, wo wir den Hadrians-Wall kreuzen. Bald erreichen wir Edinburgh, das diesmal zumindest zeitweise schöneres Wetter für uns bereit hält.

Da unten liegt Cumbria mit dem Lake District.
Das alte Edinburgh – ein Besuch lohnt sich.
Ob dieses Handwerk die letzten 30 Jahre überlebt hat?

Dann geht es weiter über Glasgow zum Loch Lomond. Wir fahren viele Kilometer an diesem schönen See entlang, bis uns die Straße bergauf in die Highlands nach Glencoe führt.

Schottland ist erreicht, Zeit für eine Pause für Ross und Reiter.

Glencoe mit seinen Bergen und Hochmooren ist immer wieder tief beeindruckend. Bei einem kleinen Stopp entdecke ich in einem Kiosk Fotos, die Glencoe tief verschneit im Winter zeigen. Im selben Moment ist mir klar, dass ich das mal in echt sehen muss. Aber die Highlands im Winter? Wohl nicht mit dem Motorrad, das ist klar. Und es soll gar nicht so lange dauern, bis ich den Plan in Angriff nehme...

Seen und Hochmoore zwischen den Bergen von Glencoe.

Die Straße führt uns nun wieder talabwärts an die Küste, wo wir auf dem mir bekannten Campingplatz an einer netten kleinen Bucht nördlich von Oban unser Zelt aufschlagen. Ein guter Standort für Tagestouren in die Umgebung.

Nach einem langen Tag auf dem Motorrad: etwas zu Essen und ein heißer Tee und dieser Ausblick – was will man mehr.
Oban. Hier wird erstklassiger Single Malt gebrannt.

Burkhard reklamiert für sich ein, zwei Tage Ruhepause, aber ich will weiter in den Norden. Also lasse ich alles Gepäck bei ihm im Zelt zurück und fahre am nächsten Morgen früh die Küste entlang nach Norden. Nach Fort William biege ich nach Westen ab und folge dem Ufer des Loch Cluanie und dem Loch Alsh vorbei am Eilean Donan Castle nach Kyle of Lochalsh.

Die Straße von Fort William zur Isle of Skye gehört zu den schönsten, die ich je gefahren bin.
Eilean Donan Castle – Kulisse für zahlreiche Filme.

Damals fuhr von dort noch eine kleine Fähre nach Kyleakin auf Skye, die Überfahrt dauerte kaum länger als eine Rheinquerung mit der Fähre. Schon bald darauf wurde eine Brücke gebaut.

Die wievielte Überfahrt mit einer Fähre das für die 400 FOUR und mich wohl war?

Es ist bereits später Nachmittag und eigentlich längst Zeit für die Rückfahrt, schließlich habe ich zügig viele Kilometer zurückgelegt. Aber da ist wohl mein Entdecker-Gen recht dominant. Hinter jeder Kurve tun sich neue wunderschöne Ausblicke auf, so dass ich immer denke: „Noch die nächste Kurve, noch um die nächste Bucht, über den nächsten Hügel, dann machst du kehrt“. In Kyleakin kehre ich erst mal in einem netten kleinen neuen Restaurant ein, das Essen ist köstlich und die Wirtsleute sind ausgesprochen nett. Zudem läuft ausgesprochen gute schottische Musik, von der ich umgehend eine CD erwerbe.

Skye – Insel des Nebels

Dann fahre ich weiter, und Skye schlägt einfach alles, was ich in Schottland bisher gesehen habe. Warum wurde der Herr der Ringe eigentlich in Neuseeland gedreht? Skye bietet Landschaften, Ausblicke, Licht, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Fasziniert muss ich immer weiter fahren, und es steht fest, dass ich auf diese Insel zurückkehren werde. So weit im Nordwesten bleibt es im Sommer lange hell, so dass ich kaum wahrnehme, wie spät es schon ist.

Schließlich mache ich widerwillig kehrt und fahre nochmal die wunderbare Strecke zurück – zugegeben angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit ziemlich schnell. Der Verkehr ist gleich null, vielleicht alle 30 Minuten ein Auto, bleibt nur das Risiko in der Dämmerung mit einem Schaf zu kollidieren. Die recht kühle Luft lässt den kleinen Vierzylinder flott laufen.

Spät in der Nacht erreichte ich unser Zelt, Burkhard hat sich schon Sorgen gemacht. In dieser Nacht schlafe ich tief und fest und am folgenden Tag legen wir bis auf einen kleinen Besuch in Oban Pause ein.

Wieder am Logh Derg in Irland.

Unser Urlaub neigt sich dem Ende zu, und wir nehmen die Fähre nach Irland. Schon weit oben von den Hügeln sieht man unten im Hafen eine dicke schwarze Rauchwolke aus dem Schornstein der Fähre aufsteigen. Ich mache mir weiter keine Gedanken darüber, aber kaum haben wir den Hafen verlassen kommt über Lautsprecher die Info, dass das Schiff einen Maschinenschaden habe. Erst sehr spät in der Nacht erreichen wir die irische Küste. Mit Glück finden wir noch einen Campingplatz und müssen im Stockfinsteren bei strömendem Regen unser Zelt aufbauen.

Immer wieder fand ich bei meinen Irlandbesuchen hier auf dem Bio-Hof bei der Schwester eines guten Freundes eine heimelige Unterkunft. Danke dafür!

Am Logh Derg legen wir erneut eine kurze Pause ein, um dann über den irischen Süden die Rückreise anzutreten. Eine Route, die ich inzwischen ohne einen Blick auf die Karte kenne. Entsprechend zügig bin ich unterwegs, schließlich müssen wir die Fähre erwischen. Die ist allerdings ausgebucht, es ist auf all meinen Reisen das erste Mal, dass es tatsächlich nicht mal Platz für zwei Motorräder und zwei Deckspassagen gibt.

Eine zusätzliche Übernachtung in Rosslare, weil die Fähre rappelvoll ist.

Die Motorräder sind zuverlässig gelaufen und Burkhard hat eine Reise gemacht, wie er sie so sicher nicht nochmal erlebt hat. Das sind bleibende Erinnerungen. Und mir war klar, dass ich zurückkehren würde, die Highlands und Skye im Schnee sehen, und bis ganz hoch in den Norden fahren…