Es ist wie immer, wenn eine gewisse Anzahl Personen mit einem gemeinsamen Thema zusammen kommt: Es bilden sich Fraktionen. In den sechziger und siebziger Jahren wurde das Zweitakter-oder-Viertakter-Thema leidenschaftlich diskutiert. Heute spielen Zweitakter auf dem Motorradmarkt kaum noch eine Rolle. Nicht etwa wegen schlechterer Technik, auf den Rennstrecken haben sie Ende der Siebziger ganz klar die führende Rolle im Rennsport übernommen. Dass sie heute hauptsächlich in ihrer primitivsten Form bei Mofa-Rollern und Kettensägen zum Einsatz kommen, ist den immer strengeren Abgas- und Lärmbestimmungen geschuldet. Im Fahrerlager einer Classic-Rennveranstaltung sollten sie aber auf keinen Fall fehlen.


Seit der oben beschriebenen Anekdote muss sich Martin von mir als Ziegenreiter betiteln lassen. Aber so ist das, ich muss mir ja auch immer den auf den Honda-Flügel abzielenden Spruch mit dem halben Hähnchen anhören. Freundschaftliche Frotzeleien eben. Ago hatte Martin in Metz bei einem VFV-Lauf kennengelernt, und obwohl auch er kein Zweitakt-Mann ist, war er von Martins wunderschön aufgebauter Yamaha sehr angetan. Als ich sie dann irgendwann in Oschersleben erstmals sah, konnte ich mich dieser Bewertung nur anschließen, so viel Sorgfalt bis ins Detail hatte ich nicht zustande gebracht.


Mit Martin verstand ich mich schnell sehr gut. Und unsere VFV-Klassen W und V wurden wegen ihrer ähnlichen Leistung oft zusammengelegt. Martins Vorteil war ganz klar, dass er klein, schmal und leicht ist – wie sein Motorrad. Diese Kombination macht ihn auf seiner 350er in Verbindung mit seinem sehr guten Fahrkönnen und den von ihm in Kurven praktizierten Schräglagen sehr schnell. Das kann ich tatsächlich nur auf den Geraden mit der Mehrleistung aus 460 Kubikzentimetern und vier Zylindern kontern. Außerdem sind zwei Scheibenbremsen letztendlich deutlich weniger Fading-anfällig als die Trommelbremse der Yamaha.

Bald wollte Martin mehr, und es wurde ein Renner derselben Marke und Hubraumklasse, nur deutlich jünger, aufgebaut. Scheibenbremsen, Wasserkühlung, Cantilever-Fahrwerk – alles Zutaten, die mehr Performance versprachen. Allerdings scheint der Motor sensibler auf Tuning zu reagieren, leider gab es Schäden.


Ich kann mich nicht erinnern, dass Martin auf der Rennstrecke mal einen Sturz gehabt hätte. Und dann wurde er von einem PKW in einer Dreißiger-Zone unverschuldet so von seiner Harley geholt, dass deren Motor aus dem Rahmen flog. Intensivstation, etliche Operationen, Reha, lange Genesungsphase – und das alles während der Corona-Pandemie. Als er mich aus dem Krankenhaus erstmals anrief und seine Verletzungen schilderte, dachte ich, er würde nie wieder Motorrad fahren können. Aber kompetente Ärzte und seine Willenskraft halfen, dass er inzwischen wieder durch Kurven schwingt und 2022 sogar seinen ersten Renneinsatz seit dem Unfall gefahren ist.


Inzwischen lebt Martin in Alpennähe und kann wann immer er will Pässe fahren. Zum Beispiel mit seiner kleinen, leichten, schnellen MZ, die wieselflink durch die Kurven wedelt und Fahrer der übergewichtigen Brummer heutiger Tage staunen lässt. Und ich freue mich schon darauf, das dieses Jahr mal gemeinsam zu tun.
