Rennstrecke

Einer, der fehlt

Manche gehen einfach viel zu früh. Einer, der ein feiner Kerl war, ein begnadeter Schrauber, Motorradfahrer mit Leib und Seele und auf der Rennstrecke unverschämt schnell, war Uli.

Armin

Ich hatte mich im Juni 2015 mit einem Bekannten am Nürburgring verabredet. Drei Tage lang sollte uns die Nürburgring History Trophy Gelegenheit geben, ein paar schnelle Runden zu drehen. Und es sollte eines der besten Rennwochenenden werden, das ich je erlebt habe. Nach unserer Ankunft im bereits gut gefüllten Fahrerlager meinte mein Bekannter: „Da drüben sind Uli, Peter und Katja, die rücken ein wenig zusammen, dann passen wir dazu.“

Die beiden 500er Laverdas dort kannte ich von meinem allerersten Rennstreckeneinsatz. Kein Gramm Übergewicht, piekfein aufgebaut und sauschnell. Uli und Peter wohnten beide in der Nähe des Nürburgrings und kannten die Strecke im Schlaf. Beide waren schon Jahrzehnte auch professionell Rennen gefahren, also eine völlig andere Fahrer-Klasse als ich Amateur. Mich nahmen sie sofort sehr freundlich in ihre Runde auf. Und insbesondere mit Uli habe ich an diesem Wochenende sofort Freundschaft geschlossen. Sein freundliches Wesen, sein Humor, seine Lebenslust und seine Hilfsbereitschaft waren ansteckend. Und sein schelmisches, verschmitztes Grinsen bleibt unvergesslich.

Laverda Formula 500

Es war mein allererster Start am Nürburgring, ich hatte noch nicht viel Pisten-Erfahrung und die Honda war auch noch nicht wirklich ausgereift. Dass mich bei den meist zehn zu fahrenden Runden die wirklich schnellen Fahrer gegen Ende mal überrundeten, kannte ich. Aber als Uli schon in der fünften Runde unten in der Dunlop-Kehre außen über die Curbs holpernd mit nur einer Hand am Lenker, mit der anderen mir zuwinkend an mir vorbeiging, war ich echt verblüfft. In der letzten Runde kam er erneut vorbei, und ich habe mich gefragt, wo die Abkürzung ist.

Uli, wie wir ihn kannten

Dreißig Jahre Pistenerfahrung, reichlich Fahrkönnen, eine nur 107 Kilogramm schwere Yamaha TZ mit ca. 70 PS als Ergebnis von viel Know-How, und kein Funken Angst – das ist das Rezept, mit dem so was geht.

Ich hatte einigen Respekt vor dem Nürburgring, gilt er doch als anspruchsvoll. Inzwischen ist er mein Lieblingskurs. Berg-und-Tal-Bahn mag ich sehr, es gibt tolle Kurven und sehr schnelle Abschnitte. Peter, der nicht nur auf Laverda, sondern als Doppelstarter auch auf einer 1100er Martin-Suzuki beängstigend schnell unterwegs war, überrundete mich im ersten Trainingslauf kurz vor dem Hatzenbach-Bogen mit der Laverda so schnell, dass ich das Gefühl hatte, auf einem Mofa zu sitzen. Zurück im Fahrerlager meinte er: „Wenn wir uns schon länger kennen würden, hätte ich dir im Vorbeifahren auf die Schulter geklopft.“ Damit wusste ich schon, was mich im Zeit-Training erwartete …

Peter mit Laverda Formula 500 und Martin-Suzuki 1100

Aber dieses Wochenende sollte zumindest einigen von uns in Erinnerung bleiben. Uli räumte in seiner Klasse den ersten Platz ab. Nichts Besonderes, wie ich in den folgenden Jahren erleben durfte. Ich kann mich an keine einzige Veranstaltung erinnern, auf der wir gemeinsam waren und bei der er keinen Podestplatz belegte. Und meist war es der erste Platz.

Uli, erstplatziert bei der Nürburgring Historic Trophy

Und auch Katja, die an mir übte, wie man in der Kurve außen vorbeizieht, schlug zu. Ich weiß es nicht mehr sicher, aber ich nehme an, dass Peter in der Klasse V an diesem Wochenende die schnellsten Rundenzeiten gefahren hat. Für die Wertung galt jedoch der Gleichmäßigkeitsmodus, und da hatte Katja sich den ersten Rang geholt.

Katja, ebenfalls Erstplatzierte

Ich war in der Klasse W gestartet, und es gab bis zur Siegerehrung noch keine Ergebnisse, erst im letzten Moment wurden sie auf die Bühne gegeben. Ich war mit Fotografieren und Filmen beschäftigt. Plötzlich erzählte der Sprecher etwas über eine Honda CB 400 Four auf Rang eins. In der Klasse W war nur eine dieser Hondas am Start: meine. Völlig unerwartet hatte ich bei meinem ersten Nürburgring-Start auf Anhieb den ersten Platz belegt und betrat ganz verdattert die Bühne zur Siegehrung.

Die alte Zweitakt-Garde beim Schrauben

In den folgenden Jahren hatten wir bei etlichen Veranstaltungen noch viel Spaß miteinander. Uli und Peter unterstützten mich bei der Weiterentwicklung meiner Honda. Aber das Schönste war der freundschaftliche Umgang, der gepflegt wurde. Wenn es meine Zeit zuließ, setzte ich mich auf’s Motorrad oder in meinen T4 und besuchte Uli in der Eifel.

Oschersleben …
… und schon wieder ein erster Platz

Und ab und zu kam auch ein außerordentlich seltener Renner zum Einsatz. Uli hatte sich aus einer Ruine eine Yamaha TZ 750 aufgebaut. Für Zweitaktfans ein Juwel.

Yamaha TZ 750
Vor ihr hatte auch Uli Respekt

Dann irgendwann teilte Uli mir in einer Mail ganz beiläufig mit, dass man bei ihm Krebs diagnostiziert hatte. Und obwohl ihm die Erkrankung und die Medikamente zusetzten, fuhr er weiter seine Rennen. Auf der Strecke war er leicht zu erkennen, denn auf dem Rücken seiner Lederkombi trug er ein großes Adler-Logo.

Unverwechselbar: Adler-Logo auf dem Rücken, Yamaha TZ mit der Startnummer R77 unter’m Hintern

Im Sommer 2017 waren wir in Schleiz am Start, und die Erkrankung setzte ihm schon sehr zu, aber Uli fuhr wieder auf’s Podest. Er lebte das, was ihm die größte Freude bereitete, solange es irgendwie möglich war. Im nächsten Frühling bekam ich von Peter die Nachricht, dass Uli am 27. April 2018 verstorben war.

Er fehlt.