Werkstatt

Der Single bollert wieder

Nachdem die Honda Clubman mit ziemlich hässlichen Geräuschen aus dem Ventiltrieb auf sich aufmerksam gemacht hatte, stand sie erst mal gut ein Jahr.

Armin

Im Spätsommer 2021 hatte sie angefangen, immer mal wieder ziemlich zu klappern. Also erst mal Ventile eingestellt, danach war kurz Ruhe, nur um dann noch hartnäckiger „wie ein Sack Nüsse“ zu klappern. Ich fürchtete einen Schaden im Ventiltrieb, bei der Clubman durchaus eine etwas delikate Angelegenheit. Immerhin sind die Ventile radial angeordnet und deshalb arbeiten neben den Kipphebeln auch noch einige Umlenkhebel unter dem Zylinderkopfdeckel.

Mir fehlte einfach die Zeit und die Energie, mich in diesen Motor einzuarbeiten, also stand sie erst mal. Im Juni 2023 schob ich sie dann endlich mal auf die Hebebühne. Die erste Frage war, ob ich den Zylinderkopfdeckel wohl würde abnehmen können, ohne den Motor ausbauen zu müssen. Ein Blick ins Honda-Werkstatthandbuch der GB 500 brachte Entspannung, es war ohne Ausbau machbar.

Dieser Deckel muss über die Nockenwelle gehoben werden, um ihn abzunehmen. Da bleibt nicht viel Platz zum darüber liegenden Rahmen.

Nach entsprechender Internetrecherche (bei der endloses nutzloses Halbwissen-Gesülze in diversen Foren mal wieder ziemlich nervte) kamen ein defektes Ventil / ein defekter Ventilsitz, ein eingelaufener Kipphebel am linken Auslassventil, ein defekter Steuerkettenspanner oder das Auto-Deko-System auf der Nockenwelle als Ursache in Frage. Da der Motor immer noch volle Leistung zeigte, war ein Ventilschaden unwahrscheinlich. Nachdem der Deckel runter war, zeigten sich alle Bauteile in tadellosem Zustand, man sieht ihnen die etwa 45 000 km die sie gelaufen sind, nicht wirklich an. Auch der Steuerkettenspanner arbeitete einwandfrei.

Sieht alles tadellos aus.

Blieb also eigentlich nur das Auto-Deko-System auf der Nockenwelle. Dieses System arbeitet drehzahlabhängig, um den Startvorgang zu erleichtern der Kipphebel öffnet das rechte Auslassventil bei minimaler Drehzahl während des Startvorgangs. Bevor Standgasdrehzahl erreicht ist, wird das System durch die auftretenden Fliehkräfte außer Kraft gesetzt.

Die seitliche Nase am Kipphebel rechts unten im Bild kooperiert mit dem Auto-Deko-System.

Dieses System macht die Ventileinstellung der Clubman etwas ‚speziell‘. Offensichtlich neigte es in diesem Fall beim Ventile Einstellen dazu, gelegentlich einfach hängen zu bleiben, was dann dafür sorgte, dass am rechten Ventil das Spiel kaum einzustellen, oder eben völlig falsch eingestellt war. Zunächst dachte ich mir, dann eben einfach dieses System auszutauschen. Die Auskunft der HONDA-Werkstatt, die ich seit 1983 frequentiere war knapp und wenig hilfreich: „Geht gerne kaputt, ist irreparabel weil auf die Nockenwelle aufgepresst, und HONDA liefert auch keine Ersatzteile mehr.“ Eine zumindest in Teilen falsche Auskunft, wie ich schnell herausfand. In der Ersatzteilliste sind alle Teile einzeln mit Bestellnummer, alternativ komplett mit Nockenwelle als Satz aufgelistet. Im Honda-Werkstatthandbuch wird beschrieben, wie die Aufnahme des Steuerkettenrades abgezogen und wieder aufgepresst wird. Von wegen irreparabel!

Die weitere Internetrecherche brachte dann die Erkenntnis, dass nur einige wenige Teile des Auto-Deko-Mechanismus noch aufzutreiben wären, und dass das Problem bei allen Singles dieser Bauart gerne mal auftritt. Und auch die KTM-Gemeinde, wo in einigen Modellen ein sehr ähnliches System verbaut wurde, kämpft damit.

Also hab ich erst mal das System wieder gängig gemacht, alles wieder montiert und ganz in Ruhe die Ventile möglichst präzise eingestellt. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass HONDA die Ventilspielangabe verändert hat, im Handbuch stehen also falsche Daten! Und beim Einstellen zickte das rechte Auslassventil gleich wieder, und der Eintopf ließ sich nicht starten. Ich tippte darauf, dass keine Kompression da war, weil das rechte Auslassventil nicht vollständig schließt. Einige Male den Kickstarter ohne Zündung kräftig und mit Schwung durchtreten brachte dann Besserung, jetzt ließ es sich korrekt einstellen.

Bemerkenswert beim Starten: Die schon etwas ältere Gel-Batterie hatte auch nach über einem Jahr Standzeit ohne dass sie geladen wurde (Schande! Ich weiß!) noch erstaunlich viel Spannung und arbeitet immer noch tadellos. Und jetzt sprang der Single auch einwandfrei an, und lief ohne ungute Nebengeräusche.

Da an der Sitzbank eine Naht geplatzt war, bekam der Sattler noch Arbeit. Er konnte die Naht einfach nachnähen und ich konnte die Sitzbank gegen einen fairen Obulus bereits am anderen Tag abholen. Handwerk geht also manchmal tatsächlich noch ohne lange Wartezeiten. Der vor über einem Jahr abgelaufen TÜV war auch kein Problem, den neuen Stempel bekam sie anstandslos wieder.

Ich musste nun zur Kenntnis nehmen, dass mein jüngstes Motorrad auch schon über 30 Jahre alt ist, und dass Ersatzteile dafür nicht auf Bäumen wachsen. Ich habe zwar noch einen XBR-Motor im Regal liegen, aber dieser unterscheidet sich in einigen relevanten Bauteilen dann doch. Deshalb haben inzwischen ein Clubman-Motor und ein Rahmen den Weg in meinen Fundus gefunden. Der Motor ist für einen Single übrigens ganz schön schwer. Und eine erste Kontrolle hat dann auch gleich ergeben, dass an diesem Motor die Nockenwellenlager falsch montiert sind, so wäre er nicht lange gelaufen. Beschäftigung also für die Wintertage…

Sieht von außen noch ganz gut aus. Reinschauen macht aber Sinn!

Inzwischen habe ich schon ein paar kleine Touren in der Umgebung mit der Clubman absolviert, und genieße wieder den Fahrspaß, den dieser sportliche kleine Eintopf bringt. Zu meiner Überraschung sammelte sich bei einem Besuch an der Alten Schule direkt eine kleine Gruppe Interessierter um das Motorrad. Sprachlos machte mich dann aber doch, was ich aus deren Unterhaltung aufschnappte: „Was hat die denn da? Ist das noch ein Vergaser?“

Das Retro-Bike avanciert zum echten Oldtimer.