Werkstatt

Von Bremsen und dem Kupferwurm

So ist das, wenn man Alteisen bewegt, es gibt immer etwas zu schrauben. Letztendlich hatte ich in der ersten Septemberhälfte mein Werkzeug etwa genauso oft in der Hand, wie den Motorradlenker.

Armin

Eigentlich wäre das auch die interessantere und angenehmere Arbeit als das Wege-ums-Haus-pflastern gewesen, wenn es sich nicht ganz überwiegend um den guten alten Kupferwurm gehandelt hätte. Und eigentlich kenne ich die 400er Honda nach 45 Jahren in- und auswendig. Somit sollte der Aufbau eines baugleichen Modells für Piet eine leichte Übung sein.

Das i-Tüpfelchen: Nun ist mir doch noch ein originaler verchromter Kettenschutz zugelaufen.
Mit der bremst es. Aber die beiden zuvor montierten Bremspumpen waren wohl auch ok.

Aber erst mal hielt mich die Doppelbremsscheibenanlage in Atem, wollte auch nach mehrfachem Entlüften und insgesamt drei Wechseln der Bremspumpe ohne vorheriges Pumpen keinen richtigen Druckpunkt aufbauen. Erst nachdem sich alles im Fahrbetrieb mal richtig erwärmt hatte, setzten sich die neuen ziemlich steifen Dichtringe im Bremssattel auf die korrekte Position am Kolben, und plötzlich waren Druckpunkt und Bremswirkung top. Ich erinnere mich dunkel, dass das schon beim Aufbau meiner Rennmaschine so war.

1 x Vergaser synchronisieren bitte.

Ich höre seit Jahren viel Gemecker über diese frühe Honda-Scheibenbremse, dem ich nicht zustimmen kann. Gut überholt und gut gewartet ist das immer noch eine ganz anständige Bremse. Und mit zweitem Sattel samt Scheibe taugt sie auch im heutigen ABS-Verkehr. Dafür muss natürlich der Bügel auf dem Bolzen stets gut geschmiert sein, darf keine ovale Bohrung haben, und vernünftige Beläge müssen drauf. Bislang bin ich am besten mit Belägen vom Erstausrüster Vesrah gefahren, Lucas dagegen sind eine Katastrophe. Dafür sind die Bremsbeläge von AP Racing (LMP 101 ST) eine Offenbarung. Da wird bremsen zum Anker werfen.

1978 noch selten: Ein serienmäßiges und gut gebautes Schaltgestänge

Eigentlich schraube ich gern an der 400er. Sie ist sehr kompakt, sehr logisch und sehr aufgeräumt gebaut, und fast alles ist gut erreichbar und übersichtlich. Dazu kommt die unbestrittene Honda-Fertigungsqualität.

Kleine Details zeigen die Sorgfalt der Ingenieure: Von diesem Bremspedal rutscht man auch mit nassen Stiefelsohlen nicht so schnell ab.

Auch die Elektrik – mein Angstgegner - ist sauber und übersichtlich verbaut und tut in meiner 400er seit 45 Jahren unauffällig Dienst. Und dank eines neuen Kabelbaums, eines neuen Gleichrichters, eines neuen auf Elektronik umgebauten Reglers, einer neuen Diode, und eines neuen LI-Akkus hatte ich keine Probleme erwartet. Nachdem die Zulassung (teurer und zeitraubender als vor der Digitalisierung!) endlich erfolgt war, wollte ich schnell noch die Vergaser synchronisieren. Aber die wollten nicht so recht mitspielen. Schließlich stellte sich mal wieder eine bekannte Ursache heraus: Zu alter Sprit.

Dann startete ich zur ersten Probefahrt. Nach etwa 10 km musste ich ohne Licht und Blinker schleunigst kehrt machen, da der Akku in die Knie ging. Mit dem letzten Zündfunken rollte ich vor die Garage. Nun begann eine lange Fehlersuche. Und weil ich in Sachen Elektrik ziemlicher Amateur bin, funkte ich alle möglichen Bekannten in der Szene an. Besonders hilfreich waren Andreas, Stefan und Alois. Andreas klärte mich per SMS über die Funktion von Stator-Wicklung und Rotor auf, Stefan zeigte mir die Handhabung meines Messgeräts an der Honda und Alois versorgte mich mit einer Batterie-Ladung, als ich mal wieder zu stranden drohte.

Rechts die defekte Lima, links das Teil aus dem Fundus.
Der Rotor kann eigentlich nicht kaputt gehen und muss entgegen meiner Annahme nicht magnetisch sein. Manchmal sitzen die Dinger bombenfest…

Beim Messen stellte sich dann zunächst mal heraus, dass die Lichtmaschine keinen Strom lieferte. Wieder mal zeigte sich: Haben ist besser als Brauchen. In meinem Fundus lag noch eine Lima, von der ich wusste, dass sie funktioniert. Kurzerhand montiert und ab zur Probefahrt. Unterwegs noch frischen Sprit getankt, und alles schien gut. Als ich nach einem kurzen Zwischen-Stop bei Alois weiter wollte, war der Akku erneut leer, obwohl die elektronische Ladestands-Anzeige fünf km vorher noch einen vollen Akku angezeigt hatte. Dazu zeigte der neue LI-Akku beim Laden ein seltsames Verhalten. Nach 45 Minuten war er laut Ladestands-Anzeige voll, das Ladegerät zeigte eine Ladung von gerade mal 7,5 % an.

Benimmt sich wie ein E-Motorrad und schreit bei Alois nach Strom.

Zuhause also direkt wieder auf die Hebebühne und nachgedacht. Nochmals alles gemessen, die neue Lima lieferte Strom, der kam aber nicht am Akku an. Der Kabelbaum schied nach entsprechender Durchgangsmessung als Problemfall aus. Also versuchsweise mal den Regler aus meiner 400er montiert, und siehe da: Ladestrom kommt bei der Batterie an. Also mit dem Lieferanten telefoniert, der als erste Antwort einen meiner ‚Lieblings‘-Sätze bei Reklamationsgesprächen ausspricht: „Kann gar nicht sein!“ Außerdem sei er jetzt erst mal zwei Wochen in Urlaub.

Ich entschließe mich deshalb dazu, eine passende Gel-Batterie zu bestellen, und diese mit dem letzten, gut erhaltenen Original-Regler aus dem Fundus zu verbauen. Zwei Tage später trudelt die Batterie, die laut Liste des Verkäufers in die 400er passt ein, ist aber gut zwei Zentimeter zu hoch.

Steckverbindungen oxydieren gerne. Streicht man sie, wie auch die Batterie-Anschlüsse und die Masse-Verbindungen, mit etwas Pol-Fett ein, passiert das in der Regel nicht.

Manchmal sind solche Zwangs-Pausen auch ganz ok. Man schläft nochmal drüber, bekommt den Kopf frei und kann das Problem nochmal ausgeruht durchdenken. Als die passende Batterie eintrudelt, montiere ich nochmal alles, und kann den elektronischen Regler als definitiv defekt identifizieren. Die Probefahrt mache ich dann mit dem Regler aus dem Fundus, und bislang funktioniert alles einwandfrei. Mit frischem Sprit läuft sie jetzt auch definitiv besser. Trotzdem muss ich an die Vergaser nochmal ran, die scheinen etwas zu mager eingestellt zu sein.

Außerdem führte dieser Kampf mit meinem Angstgegner Elektrik dazu, mich jetzt doch noch mal etwas mehr mit diesem Thema zu befassen. Dabei bin ich auf ein gutes Buch gestoßen, dass ich jedem Schrauber-Novizen empfehlen kann: „Motorrad-Elektrik in der Praxis“ von Hans Homann, erschienen bei Delius Klasing. Nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand, aber unterhaltsam geschrieben und leicht verständlich.

Sie läuft.

Während ich mich mit dem Kupferwurm herumplage, ruft Peter wegen der Duplex-Bremse an seiner Triumph um Hilfe. Auch hier will sich trotz neuer, passend abgedrehter Bremsbacken kein richtiger Druckpunkt finden lassen. Das kenne ich bislang nur von hydraulischen Bremsen.

Ein echtes Sahnestück.

Die Bremse ist baugleich mit der in meiner Trident, und eine aus meinem Fundus wird zum Kontrollvergleich herangezogen. Zunächst habe ich den Bremszug mit dem integrierten Bremslichtschalter in Verdacht. Er ist oft Ursache für solche Probleme, deshalb habe ich einen ohne diesen Schalter montiert. Doch auch der Bremszugwechsel ändert nichts. Wir arbeiten den ganzen Nachmittag an der Bremse, ohne eine eindeutige Ursache zu finden.

Eine schöne und eigentlich sehr gute Trommelbremse…
…die an meiner Trident seit fast 25 Jahren zuverlässig funktioniert.

Nach vielen Einstellversuchen hat Peter dann einen halbwegs verwertbaren Druckpunkt, optimal ist aber anders. Da steht noch etwas Ursachenforschung und ein weiterer Versuch mit neuen Belägen an.

Schon fast halb durch…

Was sonst noch war? Nach einer kleinen Spritztour mit meiner Trident entdecke ich einen Riss im Lenker. Alle Alteisentreiber die ich kenne, reagieren mit einem „das hab ich ja noch nie gesehen“. Das in der Mitte unten befindliche Langloch für die Kabeldurchführung erweist sich in diesem Fall als Sollbruchstelle.

Simple, überschaubare Elektrik. Mit sowas komm sogar ich klar.

Den Lenker wechseln ist an dem Triple doch mit etwas Aufwand verbunden, aber wenigstens liegt nagelneuer Ersatz (ohne Langloch) in meinem Fundus. Ein Kabel im Schalter ist leider verlötet. Anstatt die ganzen Stecker in Scheinwerfer zu ziehen, das Kabel aus dem Lenker zu holen, alles wieder zusammen zu stöpseln, löte ich einfach das eine Kabel aus und wieder ein. Eindeutig weniger Aufwand. Wie heißte es in meiner Heimat: „Lieber faul als dumm.“

Gerade noch fertig, bevor es Nacht wird. Die Tage werden kürzer…

Warum ich das alles erzähle? Sind doch alles nur die üblichen Problemchen bei alten Motorrädern. Ja, stimmt. Aber ich habe wieder verstanden, wie wichtig es ist, nicht so schnell das Handtuch zu werfen. Nicht gleich beim ersten echten Problem zu kapitulieren, sondern dran zu bleiben, dazu zu lernen. Und das gilt nicht nur für’s Alteisenschrauben. Oder wie Hans Homann schreibt:

Komischerweise treten Fehler selten allein auf. Da hat man eine Panne, den Fehler endlich gefunden, und dann klappt’s trotzdem noch nicht. Momente, in denen tiefe Zweifel am Selbstbewusstsein von Helga Heizer und Günter Gasgriff nagen. Tja, da muss man durch.