Motorrad

Lange vermisst!

Seit Ende Oktober 2019 hatte sie waidwund in der Garage vor sich hingedämmert. Jetzt strahlt sie endlich wieder und trompetet ihren unvergleichlichen Sound durch die beiden Roadster-Tüten.

Armin

230 Kilogramm sind mir eigentlich zu viel, aber zum Glück rollen sie auf den 19-Zöllern gut aus der Garage. Beim Aufbocken auf den Hauptständer hilft kein E-Motörchen. Dann folgt die Prozedur, die bei der Trident etwas rituelles hat. Für Fahrer der jungen Generation mit modernen Fahrzeugen, die per Bluetooth womöglich per Handy-App starten, sei dies hier nochmal beschrieben.

Bei alten Motorrädern befindet sich das Zündschloss gelegentlich an unerwarteten Stellen. In diesem Fall am rechten Scheinwerferhalter.

Zuerst mal den Zündschlüssel ins Zündschloss stecken. Dann beide Benzinhähne rechts und links auf die Position „Open“ stellen.

Spritzufuhr durch klassische Mechanik

Dann sind die Vergaser dran. Vergaser sind jene Bauteile, die vor der elektronisch geregelten Einspritzung über die moderne Motoren verfügen, für die richtige Sprit-Luft-Zufuhr gesorgt haben. Sie müssen korrekt eingestellt und gelegentlich also gewartet werden. Und manchmal machen sie Probleme. Im Fall meiner Trident habe ich auf den Einbau der Kaltstartfunktion in die Amal-Vergaser verzichtet, der Versuch alleine war für mein Nervenkostüm dann doch zu aufreibend. Außerdem fällt dann auch gleich eine potentielle Fehlerquelle weg. Braucht man auch nicht wirklich, denn man hat ja Tupfer! Tupfer dürften selbst vielen Fahrern älterer Motorräder nicht mehr vertraut sein. Es befindet sich jeweils einer an jedem der drei Vergaser. Mit dem Tupfer flutet man den Vergaser restlos, d. h. dadurch wird das Gemisch beim Starten zunächst angereichert. (Der Choke reichert das Gemisch an, indem er die Luftmenge reduziert). Man drückt den Tupfer, bis der Vergaser überläuft, d. h. man holt sich eigentlich immer Benzinfinger. Daß die Handschuh von Fahrern alter Motorräder nach Sprit riechen, ist also normal.

Den Tupfer (links von der Mutter) drücken, bis Sprit überläuft.

Jetzt den Zündschlüssel auf „Ignition“ drehen. Tja, und nun kommt für Fahrer moderner Motorräder das meist größte Problem. Es gibt keinen Anlasser. Also Kickstarter ausklappen und mit Schmackes treten. Besonders bei Einzylinder-Motoren und Parallel-Twins, sollte man sich darin einweisen lassen. Ein zurückschlagender Kickstarter kann schmerzhafte Verletzungen bis hin zu Knochenbrüchen verursachen. Wenn man weiß, wie's richtig geht, ist’s meist kein Problem. Der dem Thema geneigte Leser erkennt also: Nicht irgendeine digitale Elektronik denkt und handelt, sondern der Fahrer! Eigenverantwortlich! Könnte es sein, dass das manchen Zeitgenossen schon überfordert?

Ausklappen und mit Schwung treten. Tendenziell weniger eine Frage von Kraft als von richtiger Technik.

Nicht immer springt der Triple auf den ersten Tritt an, aber sobald er läuft, kommt auf den Trident-Novizen ein bislang unbekanntes Erlebnis zu. Die Lebensbekundung dieser Motoren ist nicht zu überhören. Es ist ein einmaliger Sound den der 120°-Versatz der Kurbelwelle verursacht. Manche fühlen sich an den Klang alter luftgekühlter Porsche erinnert. Dazu gesellen sich spürbare Vibrationen und das Zittern der Nadel im analogen Drehzahlmesser.

Eindeutig schöner als jedes Display!

Nun die Kupplung ziehen. Sagt sich so leicht. Als die Trident in Windeseile als Konkurrenz gegen die massiv in den Markt drängenden Japaner, insbesondere die Honda CB 750 Four entwickelt wurde, waren die britischen Fahrzeugbauer schon massiv unter Druck. Also wurde kurzerhand ins Konzern-Regal gegriffen und die Einscheiben-Trockenkupplung des Mini in modifizierter Form verbaut. Die war aber für Fußbedienung gedacht. Einer der Gründe für die notwendige Handkraft und ein ziemlich verschachteltes Kurbelgehäuse, inklusive aller Tücken die das mit sich bringt.

Viele Gehäuseteile…

Nun den ersten Gang einlegen – und schon wieder wird’s speziell. Schaltung und Bremse sind vertauscht, es wird also rechts geschaltet und links gebremst. Immerhin ist das Schaltschema wie heute üblich, erster Gang unten, die übrigen drei oben. (Die Norton Commando dagegen hat ein ganz anderes Schaltschema, da wird das Gehirn in Sachen Flexibilität richtig gefordert.) Und: Ja, die frühen Trident haben nur ein Viergang-Getriebe. Wobei das „nur“ eigentlich falsch ist, denn obwohl der Motor anders als bei den meisten anderen zeitgenössischen englischen Motoren kurzhubig ausgelegt ist, genügen vier Gänge tatsächlich völlig. Meine Trident läuft damit aufrecht sitzend mit Sozia auch mal Tacho 190 km/h, und die Gänge schließen gut an.

Wo heute schnöde Aufkleber prangen, gab es mal tolle Tankembleme.

Sie marschiert also flott, was automatisch die Frage nach Fahrwerk und Bremse aufwirft. Der Rahmen besteht aus in Gussmuffen hartverlöteten Rohren, was zum hohen Gewicht beiträgt. Rahmen, Gabel, Getriebe, Schwinge samt Hinterrad und der darin befindlichen Bremse wurden bei den frühen Tridents mit geringen Modifikationen vom alten 650er Twin übernommen. Die Gabel ist eigentlich ziemlich schwabbelig und eine auch damals schon veraltete Konstruktion. Trotzdem ist die Straßenlage super. Sobald sie rollt, merkt man der Trident ihr Gewicht nicht mehr an. Die 19-Zöller stecken souverän auch mäßige Straßen weg. 10 Jahre jüngere Japaner schaffen das nicht in dieser Form mit der souveränen Stabilität. Die Hinterradbremse ist dafür eine Katastrophe, Bremswirkung minimal. Eigentlich eine Vorkriegskonstruktion, das Kettenrad sitzt direkt auf der Trommel, keine Ahnung was sich die Konstrukteure dabei gedacht haben.

Umso besser ist die Duplex-Trommel vorne. Natürlich fordert sie ordentlich Handkraft, aber sie ist gut dosierbar und ich bringe bei einer Vollbremsung das Vorderrad hörbar zum Wimmern. Ist auch gut so, denn der Triple entwickelt für sein Alter einen immer wieder überraschenden Vortrieb, und sorgt bei Fahrern moderner Motorräder, insbesondere bei der Harley-Fraktion, regelmäßig für sehr überraschte Gesichter nach dem Ampelstart.

Norton-Roadster-Tüten für den guten Ton, für die richtige Optik Dunlop TT100 als zeitgenössische Bereifung, damals unschlagbar.

Ich denke diese Beschreibung macht deutlich, das Trident-Fahren Konzentration und Verständnis für und Spaß an der archaischen Technik braucht, dass man mehr Maschinist als Fahrer ist. Aber sie entschädigt mit einmaligen unvergesslichen Fahrerlebnissen.

Einst Konkurrentinnen sehr unterschiedlichen Motorenbau-Philosophien folgend, stehen sie heute einträchtig nebeneinander.

Kaum hatte sie wieder eine gültige AU-Plakette, war ich auch schon mit Alois zum Kaffee an der alten Schule verabredet. Seine Norton Commando und die Triumph Trident waren definitiv Eye-Catcher. Aber es waren an dem Tag überraschend viele Alteisen-Treiber da.

Wir lassen uns viel Zeit beim Kaffeetrinken, beim Betrachten der alten Motorräder und beim Benzin quatschen. Dann beschließen wir spontan, noch eine ausgedehnte Runde durch’s Bergische Land zu drehen. Der Triple blamiert mich nicht, der Vorführeffekt bleibt aus, er hat keinen Tropfen Öl auf dem Pflaster hinterlassen und springt auf den ersten Tritt fauchend und knurrend an. Wir genießen die zügige Fahrt bei idealem Sommerwetter mit der besonderen Sound-Untermalung, gelegentlich bleibt ein Passant mit einem erfreuten Lächeln stehen und schaut uns nach. Sehr zufrieden mit dem Tag stelle ich die Trident später vor der Garage ab. Dieses immer wieder besondere Erlebnis, eine frühe Trident zu bewegen, hatte ich lange vermißt.